Bautzen II

Bautzen II

Aus drei Gründen ist die Stadt Bautzen über die Landesgrenze so bekannt geworden. Zum einen ist es die restaurierte Altstadt mit den vielen Türmen. Der bekannteste ist die Alte Wasserkunst. Ein herrliches Panorama bietet sich dem Besucher von der über die Spree führende Friedensbrücke. Kaum zu glauben, dass nur die Ereignisse im Herbst 1989 den geplanten Abriss der Altstadt verhinderten. Sie sollte durch ein Plattenbauviertel ersetzt werden. Der zweite Grund ist der Bauz`ner Senf. Ihn gibt es in süß bis scharf in hundert Varianten. Der dritte Grund ist Bautzen II.

Bautzen II ist ein unweit der Altstadt gelegenes Gefängnis mit etwa 200 Haftplätzen, das ab 1956 bis zum Ende der DDR als Sonderhaftanstalt dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) unterstand. Es war das Gefängnis für „Staatsfeinde“. Hier waren Kritiker des SED-Regimes, Fluchthelfer und Republikflüchtlinge, Spione westlicher Geheimdienste, aber auch straffällig gewordene SED-Funktionäre inhaftiert. Weit über 80 Prozent von ihnen aus politischen Gründen. Die Zuständigkeit des Ministeriums für Staatssicherheit wurde bis zum Ende der DDR vertuscht. Es kam zu Misshandlungen der Häftlinge. Auch die Isolierung einzelner Häftlinge mit Unterbringung im abgetrennten Isolationstrakt und der Freigang in Einzelhöfen widersprach geltendem DDR-Recht. Auf den Gefangenentransportern, wie dem Barkas B 1000 mit fünf Einzelzellen, wurde zur Tarnung z. B. die Reklame „Ostseefisch frisch auf den Tisch“ angebracht.

Weggesperrt in Bautzen II war zum Beispiel der von mir sehr geschätzte Leipziger Schriftsteller Erich Loest. Im November 1957 wegen angeblicher konterrevolutionärer Gruppenbildung in Zusammenhang mit Diskussionen über die Entstalinisierung verhaftet, wurde er am 22.12.1958 zu siebeneinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt. Während seiner Haftzeit hatte er keinen Zugang zu Papier und Schreibstiften. Das Obersten Gericht der DDR rehabilitierte im April 1990 den Schriftsteller voll. 

Rudolf Bahro, Philosoph und Politiker in der DDR, kam nach Bautzen II wegen seines Buches „ Die Alternative“ (1977) und seiner Kritik am real existierenden Sozialismus. 1978 wurde Bahro unter Ausschluss der Öffentlichkeit wegen landesverräterischer Sammlung von Nachrichten und Geheimnisverrats zu acht Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Aus gefundenen Akten geht hervor, dass das Strafmaß bereits im Vorfeld der Verhandlung feststand. Nachdem es ihm gelungen war, heimlich Briefe aus dem Gefängnis in den Westen zu übermitteln, baute die Staatssicherheit neben dem bereits bestehenden Isolationsbereichen eigens für ihn einen streng abgetrennten Flur mit zusätzlichen Türen, Gittern und Milchglasfenstern. 

Zu fünf Jahren Zuchthaus mit verschärfter Einzelhaft verurteilt wegen konterrevolutionärer Verschwörung kam im Juli 1957 der Dramaturg, Verleger und Direktor des bekannten Aufbau-Verlages der DDR, Walter Janka, nach Bautzen II.

Die Gedanken sind frei. Das waren sie auch zu DDR-Zeiten, wenn man sie nicht äußerte. Ging doch jemand mit seiner Kritik, mit Verbesserungsvorschlägen an die Öffentlichkeit und das passte den SED-Oberen überhaupt nicht, dann drohte im schlimmsten Fall Bautzen II. Das war gewollt. 

Heute ist Bautzen II in der Weigangstraße 8A eine Gedenkstätte. Geöffnet ist täglich von 10 bis 18 Uhr. Der Besucher kann sich die Flure und Zellen anschauen, in den Räumen sind viele Originaldokumente von damals ausgestellt.