07 Juni Bei Wolf und Rohrdommel
Vor über 20 Jahren, die ersten Wölfe waren in Brandenburg und Sachsen unterwegs, sagte mir ein befreundeter Tierarzt: „Volker, ehe du im Wald einem Wolf begegnest, steht Rotkäppchen vor dir.“ Gern würde ich auch mal in Deutschland einen frei lebenden Wolf beobachten. Einen Wolf, für mich der Inbegriff von unzähmbarer Freiheit, Stärke und Intelligenz. Nun fuhr ich für eine Woche in das Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft, nach Neustadt/Spree. Hier war ich direkt im Zentrum der nun fünf ansässigen Wolfsrudel. In die Oberlausitz bin ich gefahren, um die einmalige Natur hier hautnah zu erleben. Eine Wolfssichtung, und wenn auch nur für Sekunden, wäre ein zusätzliches Geschenk.
Unser zu Hause war eine Blockhütte direkt am Spreeufer im Spreecamp des Naturfotografen Karsten Nitsch (Foto). Alle Blockhäuser, die Dächer begrünt, hat er selbst gebaut. Gleich nach der Ankunft zeigte uns Karsten die unmittelbare Umgebung von Neustadt/Spree, Landschaften ehemaliger Braunkohletagebaue, Truppenübungsplätze. Etwa 500 Meter vom Ort entfernt, sagte Karsten plötzlich: „Stopp, ihr steht vor einer Wolfsspur“. Deutlich war sie im Sand zu sehen. Er konnte genau sagen, was für ein Wolf hier entlang lief, auch in welcher Geschwindigkeit. Diesmal hatten wir ihn also verpasst. In den Folgetagen sahen wir noch mehrmals Spuren und auch Wolfslosung (Fotos).
Vier Tage, vom frühen Morgen bis zum Sonnenuntergang (Foto an den Tauer Teichwiesen), waren wir mit Karsten im Biosphärenreservat unterwegs. Er kennt alle Spuren, kann sie wie ein Buch lesen, Vogelstimmen ordnet er auch Unterarten zu. Ein großer Schatz, den er seinen Gästen gern preisgibt, ist sein Wissen, wo bestimmte Tierarten in dem riesigen Gebiet zu finden sind. So erlebten wir in den Teichgebieten bei Commerau, Guttau und Uhyst zum Beispiel lautstarke Teichrohrsänger, Pirol, Eisvogel und Rohrdommel. Eine seltene Schellente, die ausschließlich in Baumhöhlen brütet, konnte ich am Eingang ihrer Bruthöhle in über zehn Meter Höhe fotografieren. Ihr Nachwuchs wird sich später nach Lockrufen der Mutter noch flugunfähig kopfüber aus der Baumhöhle stürzen und, welch Wunder, unverletzt am Boden landen und zum nächsten Teich marschieren. Eines Abends, es war schon fast dunkel, stand ein Rehbock neben der Straße. Er stand wie eine Salzsäule, gerade richtig für ein Foto aus dem Jeepfenster. Sehr interessant auch der Flugverkehr der unterschiedlichen Libellenarten an den Fischteichen. Einmal gelang es, das „Paarungsrad“ zweier Libellen im Bild fest zu halten (Foto). In einem Wald bei Commerau zeigte uns Karsten eine Madonnenfigur an einem Baum, ein Ort der Ruhe und Besinnlichkeit. Riesige Kastanienbäume standen in voller Blüte, manche spiegelten sich im Wasser der Teiche. Baldrian (Foto) blühte am Wegesrand. Schlangen, wie Ringelnatter (Foto) und Kreuzotter sind hier nicht selten.
So vergingen die Tage wie im Flug. Abends im Spreecamp saßen wir dann noch im Kerzenschein bei einer Flasche Wein auf einem kleinen Aussichtsturm direkt am Spreeufer. Und erst am Schluss wurde uns bewusst, dass wir gerade eine Woche erlebt hatten, ohne Telefon und Computer (Funkloch), ohne Fernseher und Radio. Gefehlt haben uns diese Sachen in dieser Woche nicht, wie wir feststellten. Und missen möchte ich auch nicht die langen Gespräche mit Karsten, nicht nur über Tiere und Pflanzen der Region. Da habe ich so einiges Nachdenkenswertes mit nach Berlin genommen. Ja, und einen Wolf habe ich dann doch noch am letzten Tag gesehen, etwas tot und ausgestopft, im Informationszentrum des Biosphärenreservates Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft. Ein Ausflug in die nahe Kreisstadt Bautzen (Foto) ist auch empfehlenswert.
Wer Karsten Nitsch einmal selbst erleben und von ihm durch die Oberlausitzer Natur geführt werden möchte (auch mit Übernachtung in Blockhütten im Spreecamp), muss sich bei ihm melden. Karsten Nitsch; Hammer 3, 02979 Neustadt (Spree), Mail: kontakt@spreefotograf.de; Tel: 035727 57585 und 0173 3628548. Wer ganz schnell ein paar aktuelle Naturfotos von Karsten sehen möchte, der gibt bei google einfach nur „spreefotograf“ ein.
Für die schöne Zeit herzlichen Dank
Volker und Angela